Kurzportrait
des Turnverein Jahn 1909 Hermannstein e.V. Es
begann alles an einem Sonntagnachmittag im Mai 1909. Junge Burschen, die damals
im Gasthaus Rühl verkehrten, hatten in Zusammenarbeit mit dem Gastwirt die
Idee aufgegriffen, einen Turnverein zu gründen. An jenem besagten Maisonntag
war es dann soweit und man gründete im Gasthaus Rühl den Turnverein
"Gut Heil". Wer aber glaubt, man habe an diesem Tag in Hermannstein
nur einen Turnverein gegründet, der irrt gewaltig, es waren derer zwei! Und
das kam so: Im Dorf hatte sich herumgesprochen, was man beim "Rühl"
für Absichten hatte und da wollte die Jugend, die im Gasthaus Wagner verkehrte,
nicht zurückstehen. Kurz entschlossen arrangierte man für denselben
Sonntagnachmittag eine Versammlung im Gasthaus Wagner und gründete den Turnverein
"Jahn". Erste sportliche Aktivitäten ließen nicht
lange auf sich warten und schon zwischen 1910 und 1914 besuchten die Hermannsteiner
Turner regelmäßig die Gauturnfeste in Grünberg, Schlitz, Gießen,
Frankenberg und Kirchhain. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges einigten
sich zehn Jahre nach den Gründungen, die einst "feindlichen Brüder"
darauf, dass zwei Turnvereine für ein Dorf mit rund 1100 Einwohnern zuviel
seien und beschlossen eine Zusammenlegung. Diese fand dann bei einer Versammlung
in dem neutralen Gasthaus "Thier" im Jahr 1919 statt, dabei sollte das
Los über die Namensgebung entscheiden. Man legte zwei Zettel mit den jeweiligen
Vereinsnamen in einen Hut und Jakob Reuschling, der 1. Vorsitzende des bei Rühls
gegründeten Vereins, zog den Zettel mit der Aufschrift "TV Jahn Hermannstein"
heraus. Diesem Namen fügte man als Verweis auf das Gründungsjahr noch
die Jahreszahl 1909 hinzu. So entstand der Name "Turnverein Jahn 1909 Hermannstein".
Nach diesem Zusammenschluss der beiden Vereine wurde dann nach kurzer Zeit nur
noch im Saal des Gasthauses Rühl geturnt. Es folgten die "fruchtbaren
zwanziger Jahre", in denen eine stattliche Turnabteilung heranwuchs. Die
erfolgreiche Teilnahme an vielen Gauturnfesten, Bezirkswettkämpfen und Deutschen
Turnfesten ist urkundlich belegt. Mit dem Ausbruch des 2. Weltkrieges
1939 fand diese erfolgreiche Epoche ein jähes Ende. Bis zum Kriegsende 1945
fand kein Turnbetrieb mehr statt und das gesamte Vereinsleben lag brach. Nach
dem Krieg schlossen sich Hermannsteiner Sportler zunächst unter dem Namen
"Spiel- und Sportgemeinde SSG Hermannstein" zusammen. Die Aktivitäten
beschränkten sich lediglich auf Fußballspielen und Leichathletik.
Erst am 05. Februar 1949 luden ältere Turner zu einer Besprechung in das
frühere Vereinslokal Rühl ein. Jakob Reuschling übergab dort nach
40 Jahren das Amt als 1. Vorsitzender an Emil Nöll und man beschloss eine
Wiederbelebung des Turnens in Hermannstein. Mit dieser Versammlung begann
ein neuer Abschnitt für den Turnverein. Nach den notwendigen Anmeldungen
bei den übergeordneten Sportbehörden und der Kreisverwaltung, erhielt
der Verein schon Mitte März 1949 die Genehmigungsurkunde zum Turnen. Mit
der Wiederbelebung hatte der Turnverein sofort die stolze Zahl von 68 Mitgliedern
und diese erhöhte sich im Folgejahr schnell auf 112. Bereits im Jahr 1950
nahm der Verein mit zwölf Teilnehmern an acht verschiedenen Wettkampfarten
erfolgreich am Landesturnfest in Kassel teil. Beim Kreisturnfest in Nauborn im
Sommer desselben Jahres gingen zwölf Turner, elf Turnerinnen sowie zwei Gruppen
Jugendturnerinnen mit Reifen- und Keulenübungen an den Start. In den fünfziger
Jahren etablierte sich wieder ein reger Turnbetrieb. Die Hermannsteiner Turner
nahmen regelmäßig an Bergturnfesten, Gauturnfesten sowie den Landes-
und Deutschen Turnfesten teil und steigerten die Mitgliederzahl bis 1955 auf 202.
Dies bedeutete einen Aufschwung, der durchaus vergleichbar war mit den bereits
erwähnten "fruchtbaren zwanziger Jahren". Ein besonderes Ereignis
fand beim Deutschen Turnfest 1953 in Hamburg statt. Der damalige 2. Vorsitzende
und Frauenturnwart Fritz Berghäuser, verantwortlicher Leiter dieser Gruppe,
führte in Hamburg mit einem Schweizer Turner aus Breitenbach/Solothurn ein
langes Gespräch. Weitere Gespräche und Briefe der beiden Turner folgten
und schließlich beschloss man einen Besuch der Hermannsteiner Turner in
der Schweiz. Zum Pfingstfest 1955 war es dann soweit. Insgesamt 104 Turner und
Turnerinnen reisten am Freitag vor Pfingsten nach Breitenbach bei Basel. Die Reise
wurde als "herrliche Fahrt" und "großes Erlebnis" geschildert.
Die Schweizer Freunde erwiderten den Besuch 1956. Es entstanden viele Freundschaften,
die bis heute andauern und in jüngster Zeit erfreulicherweise aufgefrischt
und erweitert wurden. Im Jahr 1957 wurde dann das Vereinsbanner angeschafft
und am 12. Mai während einer Feierstunde übergeben. Dieses Banner wurde
vor kurzem für das 100jährige Jubiläum komplett restauriert.
Das fünfzigjährige Vereinsjubiläum 1959 feierte der TV Jahn mit
Schülerwettkämpfen, einem Umzug durch das Dorf, einem Festkommers in
der Dreschhalle und den Gaumehrkampfmeisterschaften in Hermannstein. Mit der
Einweihung der Sporthalle Hermannstein im Jahr 1963, setzte dann im Turnverein
die Entwicklung zu einem Mehrspartenverein ein. Neben den zahlreichen Kinderturngruppen
wurde die Sporthalle nun auch von der 1961 neu gegründeten Frauengruppe für
Turnen, Gymnastik und Tanz genutzt. 1963 wurde die Tischtennisabteilung gegründet,
in der bis heute mehrere Mannschaften erfolgreich spielen. Es folgten 1966 die
Kegler und 1967 die Prellballspieler. 1969 wurde das Vereinsheim am Sportplatz
errichtet, das 1994 und 2002 erweitert wurde. Das Kleinspielfeld kam 1982 hinzu
und 2006 folgte die Beachvolleyballanlage. 1973 trat Rainer Bender die
Nachfolge von Emil Nöll an, der im Alter von 74 Jahren sein Amt als 1. Vorsitzender
in jüngere Hände gab. 1975 errangen erstmalig die Leichathleten des
Vereins den Greifensteinstein-Pokal und verteidigten ihn erfolgreich über
viele Jahre. Doch nicht nur in Greifenstein, sondern auch an den Bergturnfesten
außerhalb des Turngaus, z.B. auf der Loreley und auf dem Feldberg, nahmen
die Leichtathleten erfolgreich teil. 1976 erfolgte wieder ein Besuch beim
TV Breitenbach, der uns ein Jahr später einen Gegenbesuch abstattete. Im
gleichen Jahr fand die erste Familienskifreizeit auf der Seiser Alm statt, die
seit dem ein fester Bestandteil mit unterschiedlicher Zielsetzung ist. Ende
der siebziger Jahre führte Emil Nöll erfolgreich das "Mutter und
Kindturnen" ein, welches heute als "Eltern und Kindturnen" ein
sehr beliebtes Übungsangebot darstellt. 1979 richtete der TV Hermannstein
erstmalig das Gauturnfest aus. Im Rahmen dieser Veranstaltung konnten auf den
neuen Sportanlagen in Hermannstein 1500 Wettkämpfer und 1000 Zuschauer begrüßt
werden. Im Jahr 1984 feierte der Turnverein sein 75jähriges Jubiläum.
Ein besonderer Höhepunkt war der Auftritt von Turnweltmeister Eberhard Gienger
am Hochreck. Auch die Schweizer Freunde aus Breitenbach nahmen mit einer großen
Delegation an den Feierlichkeiten teil. Zu einer Hermannsteiner Paradedisziplin
entwickelte sich der in den achtziger Jahren eingeführte, TV Mannschaftskampf.
Hier konnte der TV Hermannstein zahlreiche Hessenmeistertitel und 1987 beim Deutschen
Turnfest in Berlin sowohl mit der Frauen- als auch mit der Männermannschaft
und 1998 in München nochmals mit der Männermannschaft den Turnfestsieg
erringen. Ebenfalls in den Achtzigern etablierte sich ein Brauch, den der
Turnverein noch heute aufrechterhält. Seit 1985 reist eine Vielzahl der Teilnehmer
zu Turnfesten mit dem Fahrrad an, so auch zu den Deutschen Turnfesten nach Bochum/
Dortmund 1990, Hamburg 1994, München 1998, Leipzig 2002, Berlin 2005 und
Frankfurt 2009. Inspiriert durch den Besuch der Olympiade 1972 in München
besuchten einige Vereinsmitglieder 1980 die Spiele in Moskau, 1984 in Los Angeles,
1992 in Barcelona und 1996 in Atlanta. In den achtziger und neunziger Jahren
entstanden weitere Abteilungen. Anfang der Achtziger wurde das "Joggen"
sehr populär. Der Lauftreff des Vereins hatte dadurch regen Zulauf und sorgte
für Mitgliederzuwachs. 1983 wurde die Volleyball-Abteilung gegründet,
die schnell ausgezeichnete Erfolge erzielte und sich bis heute großer Beliebtheit
erfreut. Das Beachvolleyballturnier, ab 1999 in Großaltenstädten veranstaltet,
wird seit 2006 auf der Beachvolleyballanlage beim Turnerheim ausgetragen und findet
überregionale Beachtung. Neben der Teilnahme an Wettkämpfen und
Meisterschaften legt der Turnverein großen Wert auf den Breitensport.
So hat das jährliche Absolvieren des Sportabzeichens einen hohen Stellenwert
im Verein. Ein besonderes Kuriosum waren hierbei 19 Sportler, die 1985 das Sportabzeichen
schon am 1. Januar ablegten - und das, obwohl an diesem Tag 10 cm Neuschnee vom
Himmel kamen. 15 Jahre später am 01. Januar 2000 wurde diese Leistung mit
28 Sportlern im Alter von 9 bis 82 Jahren wiederholt. Im Jubiläumsjahr 2009
wurden mit Hilfe von Patenschaften 127 Sportabzeichen erfolgreich absolviert.
Im Januar 1987 wurde der bislang letzte Wechsel in der Vereinführung
vollzogen und Karl-Heinz Schäfer löste Rainer Bender als 1. Vorsitzenden
ab. 1992 brachte ein kleiner Zeitungsartikel die ersten Hermannsteiner
Badminton-Spieler in der Turnhalle zusammen. Diese Abteilung ist bis Heute als
Freizeitspielgemeinschaft aktiv. In den neunziger Jahren bis 2005 richtete
der TV Hermannstein jährlich (15 Mal in Folge) einen Duathlon aus, der bei
vielen Läufern und Radfahrern einen festen Termin hatte. In den beliebten
Turnstunden "Eltern und Kind" und Kleinkinderturnen erhielt der Verein
gerade in den vergangenen Jahren durch die jüngsten Vereinsmitglieder großen
Zuspruch. 1994 wurde der Verein für seine herausragende Jugendarbeit
vom Landessportbund mit dem Heinz-Lindner Preis ausgezeichnet. Große
sportliche Erfolge feiert die im Jahr 1998 neu aufgebaute Turn-Wettkampfgruppe
der Mädchen, die bis heute mehrere Gau-, Bezirks- und Hessenmeistertitel
erringen konnte. In den letzten Jahren entstanden neue Sportgruppen, wie zum
Beispiel Männergymnastik 60Plus, Einradfahren oder BodyGym. All diese
Beispiele zeigen, dass die Entwicklung des Vereins auch im neuen Jahrtausend erfolgreich
weiter geht. Darüber hinaus veranstaltet der Turnverein seit 1955 alljährlich
Faschingsveranstaltungen für Jung und Alt in Hermannstein. Doch
musste der Turnverein in jüngster Vergangenheit auch erhebliche Probleme
bewältigen. So erwischte es den Verein eiskalt im Mai 2007 mit der sofortigen
Schließung der Hermannsteiner Sporthalle. Innerhalb kürzester Zeit
musste das gesamte Übungsstundenkonzept umgeplant werden. Vorstand und Übungsleiter
suchten und fanden nach Absprachen mit Stadt und Kreis Ausweichmöglichkeiten.
Die Trainingszeiten der betroffenen Abteilungen wurden auf mehrere Sporthallen
im Stadtgebiet sowie auf den Saalbau Rühl verteilt. Somit waren Teile des
Vereins wieder dort angekommen, wo man von 1909 bis 1963 schon mal trainierte,
nämlich im Saal der Gaststätte Rühl. Die Sanierungsarbeiten
an der Sporthalle wurden im Dezember 2008 aufgenommen und im Oktober 2009 abgeschlossen.
Die "Neue Sporthalle" steht seit November 2009 für den Trainingsbetrieb
wieder zur Verfügung. 2009 feierte der Turnverein mit einem facettenreichen
Programm, das regional viel Beachtung fand, sein hundertjähriges Bestehen.
Der Turnverein Jahn 1909 Hermannstein bietet heute ein reichhaltiges Sportangebot.
In sieben Abteilungen gegliedert, betätigen sich zurzeit 813 Mitglieder in
den Sportarten: Tischtennis, Prellball, Volleyball, Badminton, Laufen und Walken,
Leichtathletik, Bodygym, Fitnessgym, Seniorengymnastik, Gymnastik und Tanz, Kegeln,
Radfahren, Skifahren, Einradfahren, Eltern und Kindturnen, Kinderturnen und Wettkampfturnen
am Gerät. Roland
Samsel Festschrift
2009 zum Download (hier
- 7 MB)
Anmerkung: Die
Chronik des Turnvereins
Jahn 1909 Hermannstein (87 Seiten) kann gegen Zahlung von 6,-€
über den Kassenwart bezogen werden,
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